Zumeist halten wir unsere Identität für ein festes und stabiles Gebilde. Wir sind halt, wer wir sind.
Diese empfundene Einheit entpuppt sich erst über Konflikte und manchmal sogar über Krisen als fragil. Wenn unsere eigene Vorstellung über uns selbst mit der Realität kollidiert, können wir ins Grübeln kommen. Zumindest wenn wir diese Kollisionen als eine Einladung verstehen, mehr über uns selbst zu lernen. Besonders in diesen Momenten können wir den Unterschied zwischen „Rollen“ und „Identität“ lernen und uns selber weiterentwickeln.
Unser Konzept von uns selbst ist ein Prozess, der mit der Loslösung von unseren wichtigsten Bezugspersonen beginnt. Wir erkennen uns zunächst im Spiegel, verstehen, dass wir einen Namen haben und beginnen damit, uns selbst zu entdecken. Wenig später werden wir ein Kindergarten- und dann ein Schulkind. In diesen Phasen werden wir mir Rollen „ausgestattet“.
Wir erfahren, wie es ist, diese Konzepte des sozial erwünschten Verhaltens zu leben. Unsere Eltern oder andere Autoritäten trainieren uns in dem Erfüllen dieser Rollen, um zu akzeptierten Mitgliedern einer Gemeinschaft zu werden. Diese Rollen werden dann Schritt für Schritt zu unserer Identität.
In der Beantwortung der Frage „Wer bist Du?“ bieten wir diese Rollen dann den Interessierten an. Wir halten diese Konzepte für ein sicheres Fundament und Gerüst, das uns umgibt. Daher braucht es auch eine Umgebung, Freunde, Kolleginnen, Marken und Produkte, um uns diesem Konzept von uns selbst immer wieder zu versichern.
»Ich bin ein Junge, ich bin ein Abiturient, ich bin ein Akademiker, ich bin ein Surfer, ich bin …
Es braucht Konflikte oder Krisen, um die Fragilität dieser Vorannahmen zu spüren. Gerade noch Vorstand und jetzt Familienhausmeister oder andersherum. Oder wir spüren, dass wir in Konflikten wütend werden, weil wir uns zum Beispiel für sehr vegan, ökologisch oder konservativ halten. Gleiches gilt auch, wenn wir davon überzeugt sind, eine besonders empathische und fürsorgliche Führungskraft zu sein. Jeder Angriff auf diese Rollen wird emotional stark verteidigt, weil wir diese für unsere Identität halten.
Ich empfehle Dir, Deine Rollen viel beweglicher zu verstehen und über dieses „Rollen ausprobieren“ mehr über Deine Identität zu lernen.
Warum zum Beispiel nicht die Rolle „Geschäftsführerin“ als eine Rolle verstehen, die Dich einlädt, mehr über Dich zu lernen? Beobachte Dich dabei, wie Du diese Rolle interpretierst und auslebst. Sehr häufig gehen mit diesen Rollen gesellschaftliche und sozialisierte Vorstellungen einher. Zusätzlich kommen noch anerzogene Glaubensgrundsätze, zum Beispiel über Führung, dazu. In der Reflektion auf Dein Handeln kannst Du viel über Dich selbst lernen.
Wenn es Dir gelingt, Deine Rollen zu erkennen und zu reflektieren, dann hast Du die Chance, diese auch zu verändern. Sie sind nicht Deine Identität! So hast Du die Möglichkeit, Deine individuelle Form von der jeweiligen Rolle zu finden. Auf diesem Weg gelangst Du zu einer besseren Vorstellung davon, wer Du bist. Du bist nicht Deine Rollen. Andersherum wird ein Schuh daraus.